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Heeresversuchsanstalt

Krieg beginnt mit Üben.

Seit 1935 wird dieses Gebiet militärisch missbraucht.(Ein Fernsehbeitrag des mdr zeigt Bilder dieser Geschichte.) 1935 wurde die Heeresversuchsstelle der Deutschen Wehrmacht in Hillersleben errichtet. Auf einer 750 m breiten und 30 km langen Schneise wurden Geschütze und Befestigungsanlagen für den künftigen Weltkrieg erprobt. Dörfer und Forsthäuser wurden aus dem betroffenen Gebiet ausgesiedelt. Es gab die ersten Vertriebenen des 2.Weltkrieges in Deutschland. Nach der Beendigung des von Deutschland heraufbeschworenen Krieges wurde das Gelände der Heeresversuchsstelle von der Roten Armee besetzt und in den kommenden Jahren als Panzerübungsplatz genutzt und erweitert.

Obwohl sich der Landtag 1991 in einem Beschluss für eine ausschließlich zivile Nutzung ausgesprochen hatte, wurde die Colbitz-Letzlinger Heide im August 1994 von der Bundeswehr besetzt, und es begann ein neues altes Spiel. Unter dem Namen Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ) entstand mit einer Nord-Süd Ausrichtung von 32 km und einer Ost-West-Breite von 8 – 15 km der große Kriegsübungsplatz in der Altmark. Wiederum war die Bevölkerung ausgegrenzt; eine endlos Reihe von Verbotsschildern umschließt dieses Gelände. Geübt wird inzwischen in 21 Durchgängen, an fast allen Tagen des Jahres. Auch Feiertage sind im Übungsbetrieb integriert. Ein 15-tägiges Ausbildungsprogramm bereitet Soldatinnen und Soldaten auf den Auslandseinsatz vor.

„Von der Heide in die Welt – Kriegseinsätze, pfui Teufel!“ lautet ein Transparent der BI OFFENe HEIDe. Nach einem Protestcamp im Juli  1993 in der Colbitz- Letzlinger Heide wurde die BI OFFENe HEIDe gegründet, als das Versagen der Landes- und Bundespolitiker für eine zivile Nutzung der Heide zu erkennen war. Am 01.08.1993 begann um 14 Uhr an der Barriere Zienau (südlich von Gardelegen) der erste Friedensweg. Seit dieser Zeit beginnt an jedem ersten Sonntag im Monat um 14 Uhr an einem sich immer ändernden Ort am Heiderand der Friedensweg. Zur BI gehören  Menschen aus verschiedenen Beweggründen, parteilose und parteigebundene Mitbürger, Christen und Nichtchristen, Heimat- und Naturfreunde. Einig sind sie sich in der zivilen Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide. Einig über: Frieden schaffen – ohne Waffen.

Die Colbitz-Letzlinger Heide ist der größte unzerschnittene Raum und die größte nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche Mitteleuropas. Der Versiegelungs- und Bebauungsgrad istminimal. Es gibt noch immer eine seltene, erhaltenswerte Flora und Fauna. Unter dem Heidesand verbirgt sich der eigentliche Schatz, Trinkwasser in einer fast idealen Reinheit, 3,3 Milliarden m³. Trinkwasser für über 600 000 Menschen. Dieses Trinkwasser ist durch den Übungsbetrieb akut gefährdet, auch wenn die bestellten Gutachten es nach dem Besteller anders berichten. Für den Übungsbetrieb wird das Heideland vegetationsfrei gehalten. Der Heidesand von der Sonne bestrahlt erwärmt sich schnell. Die Temperaturen erhöhen sich und durch veränderte Lufttemperaturen ziehen die Niederschlagswolken mit ihrer feuchten Last weiter. Die wenigen Niederschläge versickern sofort im Boden, der Waldboden ohne Wald hat keine Speicherkraft. Ein Mikroklima verändert sich. Eine von Wirtschaft und Militärs erzeugte Wüste ist entstanden. Rüstung tötet schon während des Übungsbetriebes. Ressourcen in Form von Rohstoffen werden vergeudet und die erneuerbare Energie -Rohstoff Holz- kann nicht wachsen. Das neue Militärzentrum in der Heide bereitet Soldaten weltweit für den Kampf um Ressourcen und Rohstoffe vor. Militärische Gewalt hat bei Konfliktlösungen Priorität. Noch mehr Öl für die Kampfmaschinen dieser Welt. Der Auftrag des GÜZ lautet: „ Planen, Vorbereiten, Leiten und Durchführen von Übungen im Gefecht der verbundenen Waffen für Einheiten und Verbände des Heeres, einsatzvorbereitende Ausbildung (SFOR, KFOR, ISAF), Ausbildung für NATO Response Forces und Ausbildung für Logistikkräfte.“ Auch die Angehörigen der unter strengster Geheimhaltung im Süden Afghanistans operierenden Spezialkräfte (KSK) üben hier.

In Abwandlung des fünften Gebotes sagt die OFFENe HEIDe: „Du sollst nicht töten üben“. Hier widersetzt sich die BI den Zielen und Aufgaben des Kriegsübungsplatzes. Seit fast 14 Jahren gehen wir an jedem ersten Sonntag des Monats auf unseren Friedensweg in die Colbitz- Letzlinger Heide. Wir nehmen sie damit Stück für Stück symbolisch in Besitz und erfüllen sie mit friedlichem Leben. Es sind bis zum Februar 2007 bereits 163 Wege. In Worten, einhundertdreiundsechzig Sonntage aktive Friedensarbeit, genau die gleiche Anzahl von Vorbereitungstreffen. Der Stundenaufwand ist groß. Viel Zeit für Kontaktpflege und Öffentlichkeitsarbeit. Oder auch rein praktische Tätigkeiten wie: Das Vorab-Begehen der Friedenswege, das Beschriften von Transparenten, das Gestalten der Aufsteller für den Friedensweg, das Errichten eines Spielgerätes (Holzlindwurm) für eine Heidegemeinde. In den Monaten März oder April wird öffentlichkeitswirksam ein Frühjahrsputz in der Heide durchgeführt. Nicht zu vergessen die Ausrichtung und Gestaltung des jährlichen Ostermarsches. Möglich ist das Alles durch das hohe Engagement der Mitglieder. Ihre unterschiedlichen Beweggründe für die Beteiligung an der BI bringt Farbe und Abwechselung auf den langen, mühsamen Weg zur Erreichung einer gerechteren und friedlicheren Welt. Ideenreichtum, innovative Widerstandsgestaltung in Form des Festwagens zum Sachsen-Anhalt Tag. Unsere Stände bei regionalem und zentralem Kirchentag. Kontakt zu anderen Friedensgruppen. Ganz wichtig ist aber der kontinuierliche Friedensweg. In allen Jahren der erste Sonntag im Monat und die gleiche Uhrzeit, 14 Uhr. Ein Fixtermin für viele Leute. Sie planen ihren Monatsablauf danach. Immer das gleiche Ritual, Kundgebung, aktuelle Beiträge, politische Information und dann der Weg. Die Gespräche während des Weges, Kaffee und Kuchengenuss unter freiem Himmel, dazu etwas Kultur ist ein wichtiges Element der Veranstaltung. Vorfreude, Warten und Wiederkommen zum folgenden Friedensweg gehört   zum Ablauf   des Friedensprojektes „OFFENe HEIDe“.

Im Grußwort zum 100. Friedensweg vom Bischof der Kirchenprovinz Sachsen Axel Noack heißt es: „Dazu reicht das Aufflackern von Betroffenheit nicht aus. Solches Engagement braucht eine tiefgegründete innere Überzeugung und Stabilität Wie anders will man die Kraft zum Durchhalten rekrutieren? Der Friedensweg durch die Heide hat gerade wegen des Durchhaltevermögens eine hohe Symbolkraft. …“

Die Friedenswege haben inzwischen eine neue Qualität bekommen. Regelmäßig begleiten Feldjäger den Weg, in Zivil oder in Uniform. Sie sind unter uns oder stehen gegenüber. Sie Fotografieren. Der Staat zeigt Präsenz und möchte verunsichern. Es kommt zu verbalen und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Verwaltung und Justiz beschäftigt sich mit der BI OFFENe HEIDe . Polizei und Feldjäger als Vertreter der staatlichen Gewalt auf der einen Seite (man fühlt sich dabei an die Sicherheitsorgane der DDR erinnert) und wir die mündigen Bürger auf der Anderen. Der Weg ist lang, mühsam und beschwerlich. Trotz alledem – die Friedenswege werden erst aufhören wenn das Ziel der BI OFFENe HEIDe erreicht ist.

Wir wollen: Nach mehr als 7 Jahrzehnten militärischen Missbrauchs, das die Colbitz-Letzlinger Heide ein Lernort für die Versöhnung mit der Natur und den Frieden zwischen den Völkern wird.

(Text: eine Selbstdarstellung der BI OFFENe HEIDe)