Text-Hinweis: Evangelischer Entwicklungsdienst |
„Friedenslogik statt Sicherheitslogik soll Deutschlands Politik bestimmen“, so hat die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung nach einem mehrjährigen Diskussionsprozess ihren Forderungskatalog zur Bundestagswahl 2013 überschrieben.2 Was kann diese Forderung im Fall der Politik gegenüber (und mit) Menschen heißen, die sich gezwungen sehen, an einen ihnen fremden Ort zu fliehen und die in der Fremde Schutz brauchen, unabhängig davon, ob sie dort gebraucht werden? Worin besteht der Mehrwert, wenn nicht Sicherheit, sondern Frieden zum Leitbegriff in der Flüchtlingspolitik gemacht wird?
Zur Erinnerung: Sicherheitslogisches und friedenslogisches Denken geben unterschiedliche Antworten auf fünf Kernfragen: (1) Was ist das Problem? (2) Wie ist es entstanden? (3) Wie, also mit welchen Zielen und Mitteln, wird es bearbeitet? (4) Woran orientiert sich Legitimation? (5) Wie wird auf Misserfolg reagiert? Die Antworten auf diese Frage führen zu fünf Prinzipien der Friedensstiftung.
Zwei Erzählungen lassen sich bezüglich der Flüchtlingspolitik gegenüber stellen. In der sicherheitslogischen Erzählung werden Flüchtlinge zum Problem, weil sie als Bedrohung wahrgenommen werden. Sie gilt es abzuwehren. Die Bedrohung entsteht außen. Man muss gegen sie vorgehen – notfalls auch militärisch. Dies geschieht im eigenen Interesse und rechtmäßig. Wenn die Abwehr nicht ausreicht, werden die eingesetzten Mittel verstärkt.
In der friedenslogischen Erzählung ist die Gewalt das Problem, die Menschen vor, während und nach ihrer Flucht als Verletzung ihrer Grundbedürfnisse erleiden. Dem gilt es vorzubeugen. Gewalt entsteht zwischen Konfliktparteien. Deren Beziehungen gilt es nach dem Prinzip der Konflikttransformation neu zu gestalten. Wer Teil des Problems ist, kann Teil der Lösung werden. Das ist eine Aufgabe und Chance. Sie wahrzunehmen, erfordert Problembearbeitung mit den Beteiligten durch zivile Konfliktbearbeitung. Ihr Wesensmerkmal ist das Prinzip der Dialogverträglichkeit. Lösungen, Interessen und Mittel gewinnen Legitimität durch Übereinstimmung mit globalverträglichen Normen. Zu ihnen gehört die bedingungslose Geltung von Grundbedürfnissen. Mit Misserfolgen wird gerechnet, sie werden als Lernchance begriffen. Politik hält sich korrekturfähig durch das Prinzip der Reflexivität.
Ist eine friedenslogische Herangehensweise unrealistisch? Die beiden Erzählungen stellen zwei Denk- und Handlungsmuster dar, nicht aber zwei Realitäten. Sicherheitslogik dominiert die aktuelle Flüchtlingspolitik, aber in der gleichen Realität sind auch ermutigende, friedenslogische Praktiken entstanden. Friedenslogische Flüchtlingspolitik heißt somit, eine Praxis zu entwickeln, die den fünf Prinzipien Gewaltprävention, Konflikttransformation, Dialogverträglichkeit, Globalverträglichkeit und Reflexivität besser entspricht als die gegenwärtige Praxis. Es geht daher um Prozessentwicklung in fünf Dimensionen nach fünf Prinzipien:
(1) Vom Bedrohungsfokus zur Gewaltprävention; (2) Von der Projektion der Ursachen nach außen zur ebenenübergreifenden Konflikttransformation;
(3) Vom Abwehrkampf zur Problembearbeitung mit dialogverträglichen Mitteln;
(4) Vom Vorrang eigener Interessen zu ihrer Globalverträglichkeit;
(5) Von der Korrekturunfähigkeit zum fehlerfreundlichen Lernen durch Reflexivität.
Der gesamte Text steht hier: Leitbild Frieden