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Gestaltungsmacht in Mittelost

Text-Hinweis: german foreign policy vom  10.12.2015 |

Auf dem Weg in den Krieg

Am heutigen Donnerstag brechen die ersten Bundeswehrsoldaten zu dem neuen deutschen Kriegseinsatz in Syrien und im Irak auf. Im schleswig-holsteinischen Jagel sollen rund 40 Militärs aus dem Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ sowie zwei RECCE-Tornados verabschiedet werden. Zur selben Zeit wird ein Airbus zur Luftbetankung den militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn verlassen und Kurs auf das syrisch-irakische Kampfgebiet nehmen. Ziel ist die Luftwaffenbasis im türkischen İncirlik. Bereits am Sonntag hat die Fregatte „Augsburg“ den Suezkanal durchquert; sie ist gemeinsam mit dem französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ auf dem Weg in den Persischen Golf. Konkrete Operationen sollen allerdings erst Anfang Januar starten; dann wird der Aufmarsch von bis zu 1.200 deutschen Soldaten im Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS, Daesh) abgeschlossen sein.

Kommandozentralen

Mit dem Aufmarsch verbunden ist eine stärkere Einbindung deutscher Militärs in alle relevanten Befehlszentralen der westlichen Kriegskoalition gegen den IS/Daesh. Oberste Kommandostelle ist das United States Central Command (CENTCOM) im US-amerikanischen Tampa. Vor Ort geführt werden sämtliche Einheiten vom Hauptquartier der westlichen Kriegskoalition in Camp Arifjan (Kuwait). In beiden Einrichtungen wird die Anzahl deutscher Verbindungskräfte nun aufgestockt. Darüber hinaus werden deutsche Militärs jetzt in das Combined Air Operations Centre (CAOC) in Qatar eingebunden, das die Luftoperationen gegen den IS/Daesh koordiniert. Von Bedeutung ist dabei, dass die Kriegshandlungen der westlichen Koalition bei Angriffen auf syrisches Territorium über keinerlei völkerrechtliche Legitimation verfügen; bis in den frühen Herbst haben das sogar Berliner Regierungsstellen offen eingeräumt. Während die erwähnten Hauptquartiere jeweils unter Führung der Vereinigten Staaten stehen, die den Großteil der Operationen durchführen, werden die Marineaktivitäten zum ersten Mal von Frankreich kommandiert: Am Montag hat Konteradmiral René-Jean Crignola den Befehl über die Task Force 50 der U.S. Navy übernommen, die am Krieg gegen den IS/Daesh beteiligt ist.[1]

Unter Handlungsdruck

Während die Bundesrepublik damit auch jenseits der Ausrüstungs- und Trainingsmaßnahmen für die nordirakisch-kurdischen Milizen („Peschmerga“), die die Bundeswehr seit mehr als einem Jahr durchführt [2], in den Krieg eintritt, sind die politischen Ziele jenseits der Niederschlagung des IS/Daesh noch in hohem Maße ungeklärt. Für den Irak zeichnet sich eine Abspaltung der kurdischsprachigen Gebiete im Norden des Landes ab (german-foreign-policy.com berichtete [3]). In Syrien geraten die westlichen Staaten seit dem Beginn der russischen Intervention unter Handlungsdruck. Mittlerweile scheint nicht mehr nur die Option ausgeschlossen zu sein, Präsident Bashar al Assad zu stürzen, weil er von Moskau jetzt auch militärisch unterstützt wird. Darüber hinaus arbeitet die Zeit gegen die vom Westen geförderten Aufständischen: Der am gestrigen Mittwoch eingeleitete Abzug der Rebellenmilizen aus Homs zeigt, dass Assads Regierung ihre Stellung wieder stärken kann. An Verhandlungen zwischen den Aufständischen und der Regierung führt daher auch aus westlicher Sicht eigentlich kein Weg mehr vorbei. Offen sind dabei allerdings zahlreiche Fragen – unter anderem, wer in die Gespräche einbezogen wird, aber auch, ob bzw. in welcher Form Syrien bestehen bleiben soll.
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